Dienstag, 1. April 2014

571-580

der si bevalch ir selbes kint.
ir trûren wart vil gar ein wint
dur den hôchgebornen knaben:
si wolte in verre lieber haben
danne ir kint, daz si gebar.
si nam sîn vlîzeclîche war
mit süezer handelunge,
sô lange biz der junge
wart ein wol gewahsen kneht.
got leite ûf in der gnâden reht

der sie ihr eigenes Kind anvertraute.
Ihr Kummer darüber hielt sich –
wegen des edlen Knaben – in Grenzen.
Ihn wollte sie weitaus lieber haben
als ihr Kind, das sie geboren hatte.
Sie kümmerte sich eifrig um ihn
und behandelte ihn auf ganz reizende Art und Weise,
so lange, bis aus dem Kind
ein schön gewachsener Jüngling geworden war.
Got hatte ihn den Regeln seiner Gnade unterworfen

[Die Formulierung »der gnâden reht« ist schwer zu übersetzen. Mit dem Recht sind hier geregelte Verhältnisse gemeint und die göttliche Gnade markiert ein grundsätzliches göttliches Wohlwollen. Das Konzept ist recht komplex und deshalb schwer in eine prägnante neuhochdeutsche Formulierung zu packen.]

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