Freitag, 29. August 2014

1431-1440

iht verre hin von der gesiht,
so enkôs dâ nieman anders niht
wan silbers unde goldes.
rîlicher künste soldes
ein wunder was ûf in geleit:
ein lîste wol eins vingers breit
enmitten umb den apfel was,
diu schein noch grüener, denne ein gras,
von smâragdînen steinen
und was ûz harte cleinen

weiter vom Gesicht weggehalten wurde,
dann erkannte dort niemand etwas
anderes als Silber und Gold.
Aufwand an kostbaren Künsten
wurde in außergewöhnlichem Maße für ihn betrieben:
eine Leiste, wohl einen Finger breit,
lief in der Mitte um den Apfel,
die leuchtete noch grüner als das Gras,
aus smaragdenen Steinen,
und war aus sehr kleinen

Donnerstag, 28. August 2014

1421-1430

dâ fremdeclichen lûhte
und iegelichen dûhte
sô mæzlich und sô cleine,
als ir dâ vil nâch keine
solte schînen unde wesen.
sô man den apfel ûz erlesen
hielt nâhe zuo den ougen,
sô wart dâ sunder lougen
diu mixtûre an im erkant;
und sô der apfel wart gewant

dort fremdartig leuchtete
und jeder den Eindruck hatte,
es sei so klein und so unscheinbar,
als würde dort beinahe keine
sein und leuchten.
Wenn man den erlesenen Apfel
nahe an die Augen hielt,
dann wurde dort – ich lüge nicht –
an ihm die Mixtur erkannt.
Und wenn der Apfel etwas

[Bei den Versen 1423-1425 bin ich mir etwas unsicher.]

Mittwoch, 27. August 2014

1411-1420

diu wurden elliu dâ geborn
und heten alliu doch verlorn
dâ ganzen unde vollen glanz,
sô daz ir keines was dô ganz
noch in volleclicher kür.
ir schîn was wider unde für
zerdræjet und zersprenget
und alsô gar vermenget
mit wilder temperunge,
daz manic wandelunge

die wurden alle dort hervorgebracht
und hatten doch alle dort
den ganzen und vollständigen Glanz verloren,
so dass keine von ihnen dort weder ganz,
noch auf vollständige Art und Weise vorhanden war.
Ihr Leuchten war in alle Richtungen
verdreht und zerstreut
und so ganz vermischt
in einem wilden Verhältnis,
dass so manche Veränderung

Dienstag, 26. August 2014

1401-1410

von meisterlicher kûre.
ein wunderlich mixtûre
ûz dem rîlichen apfel schein.
diu was verworren under ein
von aller hande glaste
sô sêre und alsô vaste,
daz keiner liehten varwe schîn
dâ volleclîche möhte sîn;
und was ir aller teil doch dâ.
wîz, brûn, rôt, gel, grüen unde blâ

und meisterliches Können.
Eine erstaunliche Mixtur
leuchtete aus dem kostbaren Apfel hervor.
Allerlei Glanz war dort
unlösbar miteinander verbunden;
so stark und auch so fest,
dass das Leuchten von keiner strahlenden Farbe
dort voll und ganz sein konnte –
und doch war von allen ein Teil da:
Weiß, braun, rot, gelb, grün und blau,

Montag, 25. August 2014

1391-1400

warfs' einen apfel schœne,
den ich mit lobe krœne
vür alle werden epfel noch,
und was er von zwein stücken doch
z'ein ander wol gelœtet.
ûz golde lieht gerœtet
sîn halbez teil gesmidet was;
daz ander stücke, als ich ez las,
schein durchslagen silberwîz.
an im lac hôher künste flîz

einen schönen Apfel.
Was alle herrlichen Äpfel anbelangt, ist es dieser,
den ich stets mit Lob krönen will;
er war freilich aus zwei Stücken
schön zusammengelötet.
Aus hellem, rötlichen Gold
war seine eine Hälfte geschmiedet;
der andere Teil, so hab’ ich es gelesen,
glänzte durch seinen Besatz silbern weiß.
An ihm zeigte sich große Kunstfertigkeit

[»durchslahen« meint (laut Lexers Handwörterbuch) »mit metallschmuck […] besetzen«.]

Freitag, 22. August 2014

1381-1390

Mit den gedenken und alsô
gie si dort hin, dâ Jûnô
mit iren zwein gespilen saz.
si wolte kriec, nît unde haz
dâ sæjen under dise drî.
für die götinne wandels vrî
verborgenlichen si dô schreit
und in sô lîser tougenheit,
daz man ir bildes niht enphant.
enmitten under si zehant

Mit diesen Gedanken und diesem Plan
ging sie dorthin, wo Juno
mit ihren zwei Freundinnen saß.
Sie wollte Streit, Neid und Hass
dort zwischen diesen dreien säen.
Ohne dass die drei makellosen Göttinnen sie sehen konnten,
ging sie dort verborgen umher,
so heimlich, still und leise,
dass man ihrer Erscheinung nicht gewahr wurde.
Mitten unter sie warf sie sogleich

[Man freut sich ja, wenn es im Neuhochdeutschen Phrasen gibt, die ziemlich gut zu passen scheinen; ich konnte mich deshalb nicht zurückhalten und habe die »leise Heimlichkeit« mit »heimlich, still und leise« übertragen.]

Donnerstag, 21. August 2014

1371-1380

vil schiere sich erhaben hât.
ich wirfe mîne scheidelsât
enzwischen si geswinde,
dâ von daz ingesinde
z'ein ander wirt verworren.
an hôher wunne dorren
der hof von mîner schulde muoz.
ich tuon im aller fröude buoz,
biz ich geriche an im den schaden,
daz ich dâ her niht wart geladen.‹

Streit und Zorn erhebt.
Ich werfe meinen Samen der Zwietracht
schnell zwischen sie,
so dass die Gemeinschaft
zwischen ihnen durcheinander gerät.
Die große Glückseligkeit des Hofes
muss durch mich vertrocknen.
Ich nehme alle Freude von ihm hinweg,
bis ich an ihm den Schaden gerächt habe,
der mir entstand, weil ich nicht hierher eingeladen worden bin.‹

Mittwoch, 20. August 2014

1361-1370

gestrichen ist von lande her,
sô wirt mîn friunt, her Jûpiter,
an êren und an wirde cranc,
wan in kein laster nie getwanc,
daz im sô nâhe wæge.
zwâr ich ensol niht træge
ze sînem ungefüere sîn,
wan ich geschicke an disen drîn
frouwen schœne und ûz erkorn,
daz under in kriec unde zorn

von weither gekommen ist,
dann schade ich dem Ansehen und der Ehre
meines Freundes, Herrn Jupiter,
weil ihm nie eine Schande bedrängte,
die ihm so nahe ging.
Ich bin, so viel steht fest, nicht zögerlich,
um ihm zu schaden,
wenn ich dafür sorge, dass sich unter diesen drei
schönen und auserwählten Damen
schon sehr bald

Dienstag, 19. August 2014

1351-1360

geschehen grœzer ungemach.
sît daz ich alsô rehte swach
in sînem herzen liuhte
und in sô bœse diuhte,
daz er mich her niht enluot;
sô wil ich sînen vrîen muot
mit herzeleide binden.
geschaffe ich, daz erwinden
muoz diu fröude manicvalt,
zuo der vil manic fürste balt

größeres Leid geschehen.
Wenn ich also so schwach
in seinem Herzen leuchte
und ihm so böse zu sein scheine,
dass er mich hierher nicht eingeladen hat,
so will ich an sein unbekümmertes Gemüt
tiefen Kummer heften.
Gelingt es mir, dass die allgemeine Freude
ein Ende findet,
zu der so mancher tapfre Fürst

Montag, 18. August 2014

1341-1350

Discordîa, diu hœne:
›sît dise frouwen schœne
die besten hie ze hove sint,
sô muoz ich hiute ein underbint
an ir holtschefte machen.
ir liep mit leiden sachen
wil ich besunder scheiden.
ist, daz ich in geleiden
kan ir friuntschaft iemer,
son mac dem wirte niemer

Discordia, die Zornige:
›Weil diese schönen Damen
hier am Hof die besten sind,
so muss ich heute ihre
Freundschaft auseinanderbringen.
Besonders ihrer Freude will ich mit
unerfreulichen Dingen ein Ende setzen.
Wenn es gelingt, dass ich ihnen
ihre Freundschaft für immer verhasst machen kann,
dann kann dem Gastgeber gar kein