Freitag, 18. Dezember 2015

4211-4220

ein ander zuo der erden nider;
dan unde dar, hin unde wider
begunden si dô wenken
und mit den armen swenken
al umb und umb ein ander.
alsam der salamander
sich brennet in der glüete,
alsô bran ir gemüete
in zorne bî der wîle.
si giengen dâ ze bîle,

nieder auf die Erde stürzen.
Vor und zurück – und hin und her
begannen sie da zu wanken
und mit den Armen zu rudern
ganz eng und engumschlungen.
So wie der Salamander
im Feuer brennt (und nicht verbrennt),
ganz so brannte ihr Wille
zu dieser Zeit im Zorn.
Da stürzten sie sich in den Kampf, 

[Das dürfte das erste Mal sein, dass ich eine Erläuterung hinzufüge, da der Text ansonsten missverständlich wäre – schließlich (ver)brennt der Salamander (laut Augustinus) nicht, sondern kann im Feuer überleben.]

4201-4210

zer erden möhte bringen.
alsus begund er ringen
mit dem vil hôhen künige wert,
der ouch von im schilt unde swert
warf zuo dem plâne grüene
und als ein ritter küene
sich werte ringende alzehant.
sîn arme wurden ouch gewant
umb sînen kampfgesellen.
si wolten beide vellen

zu Fall zu bringen.
So fing er an, mit dem
angesehenen, hochwürdigen König zu ringen,
der ebenfalls Schild und Schwert
von sich warf auf das grüne Feld
und wie ein kühner Ritter
sich sogleich ringend wehrte.
Seine Arme wurden ebenfalls
um seinen Kampfpartner geschlungen.
Sie wollten beide einander

Mittwoch, 16. Dezember 2015

4191-4200

und wart ûf springen niht ze laz.
ern tete weder wirs noch baz,
wan daz er spranc ze Pêleô.
daz swert daz underlief er dô
dem jungelinge wîte erkant
und umbegreif in alzehant
mit armen und mit henden.
er wolte dar zuo wenden
herz unde kraft die beide,
daz er in ûf der heide

und zögerte nicht beim Aufspringen.
Er konnte nichts Besseres oder Schlechteres tun,
als zu Peleus zu springen.
Dem Schwertschlag des weithin bekannten
jungen Mannes entkam er damit
und er umschloss ihn sogleich
mit Armen und mit Händen.
Er wollte beides, Herz
und Kraft, darauf verwenden,
ihn auf der Heide

[Vers 4192 verstehe ich nicht so recht – die Übersetzung scheint mir inhaltlich am sinnvollsten zu sein.]

Dienstag, 15. Dezember 2015

4181-4190

wâfene unde geste:
dâ von ein wille veste
wart gegeben Hectorî.
dô sîn ouge im nâhe bî
sach werde vrouwen sitzen,
seht, dô begunde erhitzen
sîn herze schiere ûf den gedanc,
daz er vermezzenlîche ûf spranc.
Und er kam ze muote wider,
swert unde schilt warf er dâ nider,

bewaffne und sie sich zum Freund mache.
Hierdurch erhielt Hector
einen starken Willen:
Als sein Blick nahe bei ihm
angesehene Damen sitzen sah,
seht, da begann sein Herz
sich sogleich für den Gedanken zu erhitzen,
kühn aufzuspringen –
und er schöpfte wieder Mut;
Schwert und Schild warf er da zu Boden

Montag, 14. Dezember 2015

4171-4180

ûf einen sigerîchen muot.
ze strîte wart nie niht sô guot,
sô daz man schœne vrouwen sehe
und mit des herzen ougen spehe
ir triuwe und ir bescheidenheit.
ez ist ein rîlich wâpencleit
vür zegelich gemüete,
daz man der wîbe güete
leg an des herzen sinne
und man sich mit ir minne

um siegesgewiss gestimmt zu sein.
Es gab im Kampf nie etwas Besseres,
als schöne Damen zu sehen,
und mit den Augen des Herzens
ihre Treue und ihre Urteilsfähigkeit zu schauen.
Eine herrliche Rüstung ist es, dass man,
wenn man verzagt gestimmt ist,
die Vortrefflichkeit der Frauen
der Gesinnung des Herzens zugeselle
und man sich mit ihrer Minne

Freitag, 11. Dezember 2015

4161-4170

sach die schœnen vrouwen an,
dar umb er niuwe kraft gewan
und einen ellentrîchen muot.
ir bilde lûter unde guot
gap im dô veste sinne,
wan er begunde ir minne
betrahten und ir süezen lîp.
swer noch beginnet reiniu wîp
bedenken unde merken,
der wil sîn herze sterken

sah die schönen Damen an und
deshalb schöpfte er neue Kraft
und geriet in eine unerschrockene Stimmung.
Ihre reine und gute Erscheinung
gab ihm da eine feste Haltung,
denn er fing an, ihre Minne
zu betrachten und ihre süße Gestalt.
Jeder, der einmal anfängt, seine Gedanken
auf reine Frauen zu richten und sie zu beachten,
der will sein Herz stärken

Donnerstag, 10. Dezember 2015

4151-4160

aber schiere ûf einen slac.
daz swert daz bürter unde wac
mit beiden henden ûf als ê.
swie sich der jungelinc iht mê
gesûmet hæte langer,
sô müeste er ûf dem anger
tôt gelegen sîn bî namen.
dô begunde er sich des schamen,
daz er gestrûchet hæte.
der edele und der stæte

auf einen Schwertschlag vorbereitet.
Das Schwert, das hielt er immer noch
mit beiden Händen hoch und in Bewegung.
Wenn der junge Mann kein bisschen
länger gezögert hätte,
dann hätte er wahrlich tot
auf dem Rasen liegen müssen.
Da fing er an, sich darüber zu schämen,
dass er zu Fall gekommen war.
Der Edle und Anständige

[Gehört die Proklise »bürter« zu »bürden«?]

Mittwoch, 9. Dezember 2015

4141-4150

mit jâmer si dâ wunden.
in fluzzen bî den stunden
die trehene ûz den ougen;
wan si des âne lougen
heten beide wol gesworn,
er müeste hân den lîp verlorn.
Ouch dûhte an sînem valle
die werden ritter alle,
er wære sigelôs geleit,
wan Pêleus der wart bereit

wanden sie sogleich schmerzerfüllt.
Ihnen flossen in diesem Moment
die Tränen aus den Augen,
hätten sie beide doch sicherlich
ohne zu lügen geschworen,
dass er sein Leben hätte verlieren müssen.
Auch hatten die angesehenen Ritter alle
angesichts seines Falls den Eindruck,
dass er verloren habe,
immerhin war Peleus sogleich wieder

[Um das »winden« der Hände als Klagegestus kommt man in der Übersetzung wohl kaum herum. Oder sollte man »krümmen« o.ä. übersetzen?]

Dienstag, 8. Dezember 2015

4131-4140

daz Hector was gestrûchet hin;
wan si gedâhten under in,
er wære sigelôs erkant:
dâ von ir herze wart gemant
ûf ein hôchgemüete alsus.
dâ wider trûrte Vênus
und sîn muoter Ekubâ.
die sâzen jæmerlichen dâ,
wan si von leide wâren bleich.
ir hende lûter unde weich

dass Hector hingesunken war;
denn sie waren übereinstimmend der Meinung,
dass er zum Verlierer bestimmt würde:
angesichts dessen wurde ihr Herz derart
in einen Zustand der Freude versetzt.
Demgegenüber zeigte Venus Trauer –
wie auch seine Mutter Ekuba.
Die saßen dort schmerzerfüllt –
waren sie doch vor Leid ganz bleich.
Ihre reinen und weichen Hände

[Das »alsus« bereitet mir Kopfzerbrechen und ist nicht gut übersetzt, befürchte ich.]

Montag, 7. Dezember 2015

4121-4130

sô krefteclîche ûf sînen helm,
daz im des rôten fiures melm
kam in die lüfte drûz geflogen
und der künic wol gezogen
strûchte nider ûf diu knie.
der slac im alsô nâhe gie,
daz er vil nâch verdorben was.
des vröute sich vrô Pallas
und ir gespil, vrô Jûne.
si dûhte ein sælic lûne,

so kräftig auf seinen Helm,
dass Funken roten Feuers
daraus in die Luft geflogen kamen
und der wohlerzogene König
auf die Knie niedersank.
Der Schlag traf ihn so unmittelbar,
dass er beinahe umbekommen wäre.
Darüber freute sich frau Pallas
und ihre Genossin, Frau Juno.
Es schien ihr ein günstiger Glücksfall zu sein, 

Freitag, 4. Dezember 2015

4111-4120

noch balder, denne ein snellez wilt.
ze rücke schielt er sînen schilt
und kam vermezzenlichen wider
ûf in geloufen aber sider
mit eime gæhen sprunge.
der hôchgeborne junge
begunde an in genenden.
er gap ze beiden henden
daz edele und daz guote swert
und sluoc den hôhen künic wert

geschwinder noch als ein schnelles, wildes Tier.
Auf den Rücken stieß er seinen Schild
und dann lief er ihn danach wieder  
wagemutig an
mit einem ungestümen Sprung.
der junge, hochgeborne,
fing an, Mut zu fassen gegen ihn.  
Er nahm in beide Hände
das edle, das gute Schwert
und schlug den hohen, angesehenen König

Donnerstag, 3. Dezember 2015

4101-4110

dô man sô grimmeclichen drasch
ûf den rîlichen harnasch,
der sam ein spiegel was gevar.
si sluogen dar und aber dar
ûf die gezierten schilte,
biz Hector der milte
kam ze grimmer swære;
wan Pêleus der mære
sîn ze leide niht vergaz.
er spranc von im her dane baz

als man so wütend eindrosch
auf den kostbaren Harnisch,
der farblich einem Spiegel glich.
Sie schlugen zu und wieder zu
auf die geschmückten Schilde,
bis Hector, der Freigiebige,
in furchtbare Bedrängnis geriet,
weil Peleus, der Berühmte,
nicht vergessen hatte, ihm zu schaden.
Er sprang von ihm weit weg,

Mittwoch, 2. Dezember 2015

4091-4100

als ich dâ vorne hân geseit,
daz kein wâfen si versneit,
noch verschrôten kunde.
dâ von si bî der stunde
vil deste langer vâhten.
si sluogen unde brâhten
mit den scharpfen clingen
niht anders ûz den ringen,
wan des wilden fiures heiz.
des lûhte dâ vil unde gleiz,

wie ich oben gesagt habe,
dass sie keine Waffe zerschneiden
oder zerhauen konnte.
So kam es, dass sie damals
umso viel länger kämpften.
Sie schlugen und brachten
mit den scharfen Klingen
nichts anderes aus den Ringen heraus
als wildes, heißes Feuer.
Viel davon leuchtete dort und glühte,

Dienstag, 1. Dezember 2015

4081-4090

enpfiengen und begriffen.
diu swert vil wol gesliffen
schrieten spæne vil dervon;
wand in mit slegen tet gedon
ir vil scherpfiu snîde.
iedoch wart daz gesmîde
niht verschrôten, noch entwert.
swie vil getengelt und gebert
ûf die stahelringe wart,
sô wâren si doch von der art,

empfiengen und davontrugen.
Die sehr gut geschliffenen Schwerter
schlugen daraus viele Späne –
denn ihnen bereiteten die Schläge ihrer
sehr scharfen Klingen Mühe.
Allerdings wurde das Metall
nicht zerhauen oder unbrauchbar gemacht.
Ganz egal wie viel auch auf die Stahlringe
gehämmert und geschlagen wurde,
sie hatten die Eigenschaft,