Dienstag, 28. Februar 2017

6661-6670

vor dir in allen dînen tagen,
ob dû des möhtest noch bejagen,
sô wærest dû gar vollekomen
und vür den besten ûz genomen,
der iendert lebte ûf erden.
wilt dû geprîset werden
vür alle ritter ûz erwelt,
sô tuo vil tugentrîcher helt
ein dinc schier unde drâte,
daz dir mîn zunge râte.‹

so lange du lebst;
wenn du die noch erjagen könntest,
dann wärst du ganz und gar vollkommen
und als der Beste anerkannt,
der je auf Erden gelebt hat. 
Wenn du mehr als alle exzellenten Ritter
gelobt und gepriesen werden möchtest,
dann, höchst tugendhafter Held, tue 
eine Sache bald und schnell,
die dir mein Mund empfiehlt.‹

Montag, 27. Februar 2017

6651-6660

ze lobelichem ende dran.
dû bist ein gar getürstic man
des lîbes und des muotes.
vil êren unde guotes
hât Sælde ûf dich gezwîget.
dû wærest gar gefrîget
vor aller slahte meine,
wan daz dir ein vil cleine
an ganzer wirde bristet.
ein lop hât sich gevristet

ein lobenswertes Ergebnis.
Du bist ein ganz und gar kühner Mann,
sowohl hinsichtlich des Körpers wie auch des Geistes.
Großes Ansehen und großen Besitz
hat das göttliche Heil dir aufgepfropft.
Du wärst völlig frei 
von jedeweder Falschheit,
wenn dir nicht etwas Klitzekleines
zur vollkommenen Ehre fehlen würde.   
Eine Auszeichnung hat sich von dir ferngehalten,

Freitag, 10. Februar 2017

6641-6650

die man ze Kriechen schouwet.
in sælden ist betouwet
dîn nam und dîn getriuwer lîp.
dich êrent hôchgeborniu wîp
und alliu werdiu ritterschaft.
dîn heil, daz hât ûf im die kraft,
daz dir nie misselingen
moht an dekeinen dingen,
der dû dich angenæme;
wan dû ze jungest kæme

die man in Griechenland findet.
Deinen Name und deine Treue
bedeckt der Morgentau mit göttlichem Heil.
Hochgeborene Frauen erweisen dir Ehre
und die gesamte, angesehene Ritterschaft.
Auf deinem Heil ruht eine solche Stärke,
dass dir nie etwas misslungen ist, 
egal welches Vorhaben
du dir vorgenommen hast;
denn du erreichst früher oder später 

[Gott, ist das schmalzig… Ich übersetze »betwouwen« mit »Morgentau«, was für heutige LeserInnen, die nicht so sehr an diese Bildlichkeit gewöhnt sind, wohl verständlicher ist als Übersetzungen, die näher an der Vorlage bleiben.]

Donnerstag, 9. Februar 2017

6631-6640

wart er sô gîtic alzehant,
daz Jâson vür in wart besant
schier und in kurzer stunde.
mit einem valschen munde
sprach er wider in alsô:
›nev unde vriunt, ich bin des vrô,
daz dû sô werdeclichen lebest
und in sô lebender wirde swebest,
daz man dich prîset unde lobt.
dîn prîs den besten allen obt,

nach dem Tod des vortrefflichen Mannes,
dass Jason zu ihm befohlen wurde,
unverzüglich und eilends.   
Mit trügerischen Worten
sagt er zu ihm Folgendes:
›Mein Neffe und Getreuer, ich freue mich,
dass du so angesehen und würdevoll lebst
und in derart lebendiger Würde umherjagst,
dass man dich rühmt und lobt.
Dein Ruhm übertrifft die Besten, 

Mittwoch, 8. Februar 2017

6621-6630

so enist ouch nieman lebender mê,
der Achille widerstê
mit werdeclichen sachen.
ich sol sîn êre machen
und alle sîne wirde cranc.‹
sus wart gestellet sîn gedanc
dar ûf, daz er den jungelinc
bræhte in kümberlîchiu dinc
und in angestbære nôt.
ûf des erwelten mannes tôt

dann ist auch niemand mehr am Leben,
der es, was Würde und Ansehen anbelangt,
mit Achill aufnehmen kann.
Ich muss seinen Ruhm
und seine ganze Reputation ruinieren.‹ 
Auf diese Weise konzentrierten sich seine 
Gedanken darauf, den jungen Mann
in Bedrängnis zu bringen 
und in eine gefährliche Notlage.
So sehnte er sich sogleich derart

[Ist »ruinieren« hier zu ›stark‹? Sollte man »schwächen«, »reduzieren« o.ä. übersetzen?]

Dienstag, 7. Februar 2017

6611-6620

beswæret wart durch sînen prîs;
wan er begunde in alle wîs
dar ûf gedenken und gehügen,
daz er mit valscher dinge zügen
gewerben möhte sînen tôt
und er in bræhte zuo der nôt,
daz al sîn lop gelæge,
dar umbe daz man wæge
vil deste hœher sînen sun.
er dâhte alsus: ›verderbest dun,

seines Ruhms mit Sorgen niedergedrückt,
weil er anfing, alle möglichen Pläne
zu erfinden und sich auszudenken,
um mit lügnerischen Zeugen
seinen Tod zu Wege zu bringen
und ihn in eine solche Notlage zu bringen,
dass sein gesamtes Ansehen zugrunde gehe,
so dass man dann seinen Sohn
umso höher schätze.
Er dachte für sich Folgendes: ›Bringst du ihn um,

Montag, 6. Februar 2017

6601-6610

daz er im niemer werde holt,
sô wahset sîner wirde solt
und sîn êre an manger stete.
daz selbe Jâson gerne tete;
er schuof mit sîner werdikeit,
daz Pêleus, sin veter, neit
an im, daz er vil tugent pflac
und er sîn dinc ûf êre wac
den âbent und den morgen.
der übele künic mit sorgen

dass er sich ihm nie verbunden fühlen wird,
dann wächst der Lohn seiner Würdigkeit
und sein Ansehen an vielen Orten.
Eben dies tat Jason gerne;
er sorgte mit seinem hohen Ansehen dafür,
dass Peleus, sein Vaterbruder,
neidisch darauf war, dass er sich so vorbildlich verhielt
und von früh bis spät
sein Leben hin zu hohem Ansehen lenkte.
Der boshafte König wurde wegen 

Freitag, 3. Februar 2017

6591-6600

und was im âne schult gehaz,
doch war im harte cleine daz,
ob im der bœse vîent wart,
sît er durch sîne reinen art
was den besten allen wert.
swer hôhes lobes und êren gert,
der sol nâch hazze ringen
mit tugentbæren dingen.
Er schicke, daz der bœse zage
im ein sô nîdic herze trage,

und hasst ihn – ohne Grund.
Doch jener stört sich daran wenig,
dass ihm der Taugenichts feindlich gesinnt ist,
weil er, der Ehrbare, sich durch sein makelloses Wesen
den Besten, Angesehensten als würdig erweist. 
Wer auch immer nach ehrwürdigem Lob und Ansehen strebt, 
der muss sich bemühen, gehasst zu werden, 
indem er Hervorragendes leistet.
Er möge dafür sorgen, dass der gemeine Feigling
ihm gegenüber so neidisch-feindlich eingestellt ist,

Donnerstag, 2. Februar 2017

6581-6590

daz er durch sîne werdikeit
den clâren hazzete unde neit,
daz dicke leider noch geschiht.
swâ man die tugentrîchen siht
ûf êre wenden alle ir ger,
si nîdet iemer eteswer,
daz si daz beste gerne tuont.
swaz nîdes ie noch ûf gestuont,
der wuohs bî ganzer werdikeit.
den fromen ie der swache neit

dass er wegen dessen Ansehen
dem Makellosen Hass und Neid entgegenbringen sollte –
etwas, was auch heutzutage noch oft passiert.
Wo auch immer man tugendhafte Menschen sieht,
wie sie all ihr Wollen darauf richten, ihr Ansehen zu erhöhen,
da findet sich immer irgendwer, der darauf neidisch ist,
dass sie bereitwillig nach dem Besten streben.
Noch immer, wenn Neid zum Vorschein kam,
wuchs dieser Neid angesichts eines tadellosen Ansehens. 
Auf den Ehrbaren ist der Nichtsnutz neidisch

Mittwoch, 1. Februar 2017

6571-6580

ob im gewalteclîche truoc.
der wirde endûhte doch niht gnuoc
Pêleum, der vater sîn.
er leit dar umbe swæren pîn,
daz Jâson, sînes bruoders barn,
nâch prîse ringen unde varn
getürsteclichen wolte.
des er geniezen solte,
des engalt er wider in.
im riet sîn ungetriuwer sin,

noch vor ihm trug und das auf machtvolle Weise. 
Dieses Ansehen aber hielt sein Vater,
Peleus, für nicht groß genug. 
Großen Schmerz litt er, weil
Jason, der Sohn seines Bruders,
kühn um Lob und Anerkennung
sich bemühen und kämpfen wollte.
Das, worüber er sich hätte freuen sollen,
das nahm er zum Anlass, ihn zu bestrafen.
Sein untreues Wesen empfahl ihm,