Mittwoch, 28. Februar 2018

8661-8670

daz ich erleschen wæne
der heizen minne spæne
und ir starkes fiures gluot!
möht ich ez tuon, ez wære guot;
nû mac sîn leider niht geschehen.
ich hân daz wæger spil ersehen
und daz unwæger ouch dâ bî.
waz mir guot, oder schade sî,
daz hân ich beidez wol ervarn
und mac mich doch niht hie bewarn

dass ich glaube, die Späne
der heißen Liebe und die mächtige Glut
ihres Feuers löschen zu können!
Wäre ich dazu in der Lage, wäre es schön;
es geht aber nun einmal leider nicht.
Ich hatte gute Karten und ein vorteilhaftes Spiel auf der Hand
und zugleich auch Pech und schlechte Karten.
Was mir zugute kommt oder mir schadet,
ich habe beides fraglos erlebt
und doch vermag ich mich hier nicht 

Dienstag, 27. Februar 2018

8651-8660

und in zwîvels nôt bejagt!
ich tumbiu, sinnelôse magt
sol den gedenken widerstreben,
die mînem herzen sint gegeben
von der minne râte.
ich wil hie von mir drâte
ir flammen trîben alzehant,
die mîn gemüete hât enbrant
alsam daz fiur ein dürrez strô.
wie rede ab ich, vil tumbiu, sô,

und in eine solch ungewisse Notlage gedrängt?! 
Ich törichte, verrückt gewordene Frau
muss den Überlegungen widerstehen,
die meinem Herzen durch die 
Ratschläge der Liebe eingegeben wurden.
Ich will sogleich und eilige ihre Flammen 
von mir scheuchen;
sie, die mein Denken und Wollen entzündet hat
so wie Feuer das trockene Stroh.
Was rede ich nur, ich Dummkopf, 

Montag, 26. Februar 2018

8641-8650

der wollen, die der wider hât?
ein gast, der lützel mich bestât
und den ich selten ie gesach,
durch waz sol ich des ungemach
erwenden mit der helfe mîn?
mir solte verre lieber sîn,
daz er ein bitter ende kür,
denn ob der vater mîn verlür
prîs unde ganze wirdikeit.
wie bin ich sus in arebeit

die der Widder hat?
Ein Gast, dessen Schicksal mich wenig angeht
und den ich noch nie gesehen habe,
weshalb sollte ich ihn mit meiner Hilfe
aus seiner schwierigen Lage befreien?
Mir sollte es viel angenehmer sein,
dass er ein bitteres Ende nehme
als dass mein Vater sein
Ansehen und seine ganze Würde verlöre.
Wie wurde ich denn mit einer derartigen Mühe beladen

Freitag, 23. Februar 2018

8631-8640

daz ich durch einen vremden man,
des ich nie künde mê gewan,
erzürnen mînen vater muoz.
sol ich verliesen sînen gruoz
und brechen sîn vil hôch gebôt,
daz mac wol sîn der liute spot
und ist ein angestlichez dinc.
waz gât mich an der jungelinc,
daz ich in vor dem tôde ner
und ich den vater mîn verher

dass ich nämlich durch einen fremden Mann,
von dem ich nicht viel weiß,
gezwungen bin, meinen Vater in Zorn zu versetzen.
Muss es so kommen, dass er mich nicht mehr grüßt
und ich seiner so sehr Achtung gebietenden Autorität zuwiderhandle?
Das wird gewiss die Verachtung der Leute heraufbeschwören
und es ist eine fürchterliche Sache.
Was geht mich der Jüngling an,
dass ich ihn vor dem Tod bewahre 
und ich meinem Vater die Wolle entreiße,  

Donnerstag, 22. Februar 2018

8621-8630

dar nâch mit reines herzen ger,
daz ich Jâsônes minne enber
und ist daz allez üppeclich;
wan ich enkan niht leider mich
von im gebrechen mîniu jâr.
der criec enhilfet niht ein hâr,
dâ mite ich hînaht ringe.
mich dunket, swaz mich twinge,
daz sî diu minne und anders niht.
ez ist ein wunderlich geschiht,

mit dem Willen eines reinen Herzens dafür,
Jasons Liebe los zu sein –
und das ist alles ganz überflüssig,
dann ich werde mich, leider, so lange ich lebe,
nicht von ihm trennen können.  
Der Kampf, den ich heute Nacht ausfechte,
der hilft kein bisschen.
Mir scheint, dass das, was mich bezwingt,
die Liebe ist – und nichts anderes.
Seltsam ist, was hier geschieht,

Mittwoch, 21. Februar 2018

8611-8620

ie balder und ie harter.
si leite strenge marter
sich selben an mit strîte.
und dô si bî der zîte
ir willen und ir zuoversiht
von im gescheiden mohte niht,
dô sprach si wider sich zehant:
›mit strîte hân ich an gerant
vergebene mîn gemüete.
jô vihte ich unde wüete

immer mutiger und immer stärker.
Sie unterzog sich selbst durch diesen Kampf
einem harten Martyrium.
Und nachdem sie dann
ihren Willen und ihre Hoffnung
nicht von ihm losmachen konnte,
da sagte sie sich zugleich:
›Kampfwillig – und vergebens – 
habe ich meine Gefühle angerannt .
Ja, ich streite und kämpfe

Dienstag, 20. Februar 2018

8601-8610

der ûz des herzen grunde vert.
si hete gerne sich erwert
des mannes und der minne.
si streit ir kiusche sinne
vil sêre mit gedenken an
und wolte brechen von dem man
mit herzen und mit lîbe sich.
und sô diu maget wunneclich
ie vaster von im kêrte,
sô minne ir herze sêrte

die vom Grund des Herzens kamen.
Gern hätte sie sich gegen
den Mann und die Liebe verteidigt. 
Diese griff ihre keusche Haltung und Gesinnung
heftig mit Gedanken an;
und sie wollte sich mit Herz und Leib
von dem Mann losreißen.
Und während sich das liebreizende Mädchen
auf diese Weise immer weiter von ihm abwandte,
verwundete die Liebe ihr Herz

[Bei 8604-8607 bin ich mir unsicher, ob ich das richtig verstehe. Ich habe auf jeden Fall in der Übersetzung etwas verdeutlichend eingegriffen…]

Montag, 19. Februar 2018

8591-8600

gefüeret und geleitet.
mîn friunt, des ich gebeitet
mit sorgen und mit liste hân,
der wil ze lange mich verlân.‹
In dirre zît, dô daz geschach,
daz diu juncvrouwe alsus gesprach
und inneclîche swære truoc,
dô wart diu schœne vaste gnuoc
in sorge und in gedenke brâht.
ûf manigen sin was si verdâht,

führen und befördern. 
Mein Freund, auf den ich besorgt
und besonnen warte,
der lässt mich allzu lange allein.‹
Zu dieser Zeit, als die
junge Dame dies sagte
und tief gefühlten Kummer ertrug,
da geriet die Schöne ganz erheblich
in Angst und wurde nachdenklich.
Bestimmte Gedanken ließen sie nicht los,

[Was genau meint »list«? Ist die kluge Planung des Treffens gemeint? Oder geht es darum, dass Medea sich die Entscheidung zu diesem Treffen nicht leicht gemacht hat, dass die Entscheidung nach reiflicher Überlegung gefallen ist?]

Freitag, 16. Februar 2018

8581-8590

diz wachen hie gelîden!
er solte heizen mîden
sîn ingesinde disen dôz.
der hoveschal ist alsô grôz
und muoz mir werden hie ze sûr.
diu minne ist hôher fröuden schûr,
swâ man si lîdet âne trôst.
wird ich noch hînaht niht erlôst
von senelicher ungehabe,
so wirde ich morne hin ze grabe

diese Nachtwache hier zu ertragen!
Er sollte seinen Leuten befehlen,
diesem Lärm fernzubleiben.
Es ist ein sehr großes festliches Getöse,
das mir hier ein Übermaß an Bitterkeit verschafft.
Große Freuden werden durch die Liebe wie durch einen 
Wirbelsturm vernichtet, wenn man ohne Hoffnung auf Gegenseitigkeit liebt.
Wenn ich nicht noch in dieser Nacht 
von sehnsuchtvollen Klagen erlöst werde,
dann wird man mich morgen hin zum Grab

Donnerstag, 15. Februar 2018

8571-8580

sô tump kein ingesinde nie,
sô diz volc, daz hînaht hie
sus üppeclîche wachet
und ein gedœne machet
mit tobelichem schalle.
waz sol diz göuden alle,
daz diz gesinde hât erkorn?
ich wæne, slâfen sî versworn
und alle ruowe in dirre naht.
ach, herre vater, daz dû maht

eine Dienerschaft, die derart stumpfsinnig ist
wie dieses Volk, das heute Nacht hier
so völlig ohne Not wach bleibt
und einen Lärm veranstaltet
mit wahnsinnigem Gejohle.  
Was soll dieses verschwenderische Treiben,
das diese Gesellschaft sich hat einfallen lassen? 
Mir scheint, man verzichtet auf den Schlaf
und auf alle Ruhe in dieser Nacht.
Ach, mein Herr und Vater, dass du bereit bist,

Mittwoch, 14. Februar 2018

8561-8570

vil ofte von ir hende blanc.
si vaht mit sorgen unde ranc
dar umbe, daz diu hovediet
sô kûme von ein ander schiet
und sich niht leite slâfen.
si sprach vil dicke: ›wâfen!
waz hât diz tobende liut gedâht?
sol nieman hie ze ruowe brâht,
noch ze bette werden?
ez wart ûf al der erden

immer und immer wieder von ihren weißen Händen.
Sorgen quälten sie und gegen die hatte sie anzukämpfen,
weil doch die Hofgesellschaft
sich so gar nicht voneinander trennen wollte
und sich nicht schlafen legte.
Immer und immer wieder sagte sie: »Oh weh!
Was ist in dieses verückt gewordene Volk gefahren?
Wird denn hier niemandem das Ausruhen  
oder Zubettgehen gestattet werden?
Nirgends auf Erden gab es jemals 

Dienstag, 13. Februar 2018

8551-8560

mit hovelicher wîle grôz,
des sîn tohter dâ verdrôz,
wan si die wîle dûhte lanc.
si tet vil manigen umbeganc
in ir kemenâten wît.
mit leide gienc si bî der zît
vil harte dicke zuo der tür,
dâ si begunde luogen vür,
ob man noch slâfen wolte gân.
ûf unde zuo wart si getân

mit schönen höfischen Stunden,
was wiederum seiner Tochter lästig war,
weil ihr das zu lange dauerte.
In ihren weitläufigen Schlafgemächern
lief sie so manche Runde.
Leidvoll ging sie damals
immer und immer wieder zu der Tür,
um dort vorsichtig zu schauen,
ob man nicht langsam schlafen gehen wollte.
Geöffnet und geschlossen wurde sie

[Ob man hier »kemenate« einfach mit »Zimmer« übersetzen kann? Oder gibt es ein gebräuchliches neuhochdeutsches Wort, das es erlaubt, auf die luxuriöse Ausstattung eines »Kaminzimmers« zu verweisen? Mit den »Schlafgemächern« bin ich nicht wirklich glücklich…]

Montag, 12. Februar 2018

8541-8550

der wirt als inneclichen vrô,
daz er in kurzewîle dô
vil gerne wolte machen.
er half in lange wachen,
durch daz Jâson der mære
vergezze sîner swære.
Er wânde, er solte stillen
mit vröuden sînen willen,
der ûf die minne was enzunt.
er hiez im kürzen dâ die stunt

so überaus glücklich,
dass er ihnen damals liebend gerne 
eine angenehme Zeit bereiten wollte.
Er sorgte dafür, dass sie lange wach blieben,
damit Jason, der Berühmte,
seinen Kummer vergesse.
Er dachte, er würde die Stimmung desjenigen
mit Freude besänftigen,  
der doch für die Liebe entflammt war.
Er befahl, ihm dort die Zeit zu vertreiben

Donnerstag, 8. Februar 2018

8531-8540

daz er kæme z’ir dar în.
diu junge süeze künigîn
was ein lützel worden balt.
si twanc diu minne und ir gewalt,
daz si dô liez ir blûcheit
und si des kûmelîche erbeit,
daz der tac ein ende enpfienc.
daz man ze naht niht slâfen gienc,
des wart ir trûren veste.
nû was der lieben geste

dass er dorthin zu ihr komme.
An Mut und Kühnheit hatte die junge, 
bezaubernde Königin ein bisschen zuglegt. 
Durch die Liebe und deren Macht wurde sie 
gezwungen, ihre Schüchternheit aufzugeben,
so dass sie es kaum erwarten konnte,
dass der Tag ein Ende nahm.
Dass man sich Abends nicht schlafen legte,
das sorgte bei ihr für große Traurigkeit.
Nun war aber der Gastgeber über die lieben Gäste

Mittwoch, 7. Februar 2018

8521-8530

wol eines langen jâres vrist.
minn allen senden herzen ist
vil gar ein strenger überlast,
dâ von diu maget und der gast
vil kûme erbiten under in,
daz der tac geflüzze hin
und si z’ein ander möhtent komen.
diu vrouwe schœne und ûz genomen
was in ir palas dâ getreten.
den gast, den hete si gebeten,

ist für sie wie der Lauf eines ganzen langen Jahres.
Liebe ist allen sehnsüchtig begehrenden Herzen
eine ganz und gar drückende, übermäßige Last, 
so dass die junge Frau und der Gast
es jeweils kaum erwarten konnten,
den Tag vorbei gehen zu sehen, 
um zueinander kommen zu können.
Die schöne, außergewöhnliche Dame  
war in ihren Räumen angekommen.
Den Gast, den hatte sie gebeten,

Dienstag, 6. Februar 2018

8511-8520

ob niht ir wille ergienge.
daz der tac enpfienge
ein ende ân alle sûme,
des wart von ir vil kûme
gebiten und gewartet.
diu minne hete gartet
an ir ze rehte nâch ir site,
wan si enhete keine bite,
swâ si die liute machet wunt.
si dunket ein vil kurze stunt

wenn sie nicht bekäme, was sie wollte. 
Dass der Tag ohne zu zögern
zu Ende gehe,
das konnte sie kaum
abwarten und ausharren.
Die Liebe hatte sie verwandelt,
ganz so wie sie es auch sonst tut,
denn sie kennt kein Zögern,
wo auch immer sie die Leute verwundet.
Eine gar kurze Stunde

Freitag, 2. Februar 2018

8501-8510

in mîne kamern,‹ sprach si dô.
›sint hôhes muotes unde vrô:
mîn bote, der wirt iu gesant.‹
sus gie si von im alzehant
mit urloub in ir palast.
si lie den hôchgelobten gast
belîben unde gie si dan.
ir herze in süezer minne bran
und in seneclicher nôt.
si dûhte, ez müeste sîn ir tôt,

in meine Kammer bringen‹, sagte sie darauf.
›Seid guter Dinge und froh:
ich werde euch einen Boten schicken.‹
Mit diesen Worten ging sie,
da sie sich einig waren, in ihre Räume.
Den hochgelobten Gast ließ sie
dort und ging davon.
Ihr Herz brannte in süßer Liebe
und in sehnsuchtsvollem Leid.
Es schien ihr, als müsse sie sterben,

[Ich gehe davon aus, dass »urloub« hier meint, dass die beiden ihr Gespräch einvernehmlich beenden. Mhd. »palast« würde ich ungern mit nhd. »Palast« übersetzen.]

Donnerstag, 1. Februar 2018

8491-8500

ob ez mit fuoge möhte sîn,
daz ir hin zuo dem bette mîn
geruochtent kêren sunder haz,
wan ir künnent lîhte baz
hie ze hove gên, denn ich.
verrihten kan ich, vrouwe, mich
in iuwer gaden niht ze wol,
wan ich enweiz niht, war ich sol
hie kêren vinsterlingen.‹
›ich kan iuch wol gebringen

falls es der Anstand zulässt,
wenn ihr so freundlich wärt, 
zu meinem Bett zu kommen,
denn ihr könnt euch hier am Hof
viel leichter bewegen als ich. 
In euer Gemach kann ich, Herrin,
mich nicht gut begeben,
denn ich weiß nicht, wohin ich 
mich im Dunkeln wenden muss.‹
›Ich kann euch leicht